Stattdessen sind Prozesse im Zentrum ihres Schaffens, oft auch im Austausch mit Wissenschaftlern. Verschiedene Zeitdimensionen und Grenzüberschreitungen sind Thema: wie das Schmelzen des Rhônegletschers, der Kreativer Prozess während eines 40stündigen Schlafentzuges oder der Versuch, über Klang mit Plankton zu kommunizieren. So entstehen einzigartige Dramaturgien. Klang ist immer in Bewegung und erreicht so das Publikum: Sinnlich und physisch erlebbar, berührt er und mag rhizomartig weitere Prozesse auslösen. Frei nach Marshall McLuhan: Der Prozess ist die Botschaft.
Die Schweizer Künstlerin hat mit ihren einzigartigen musikalisch-visuellen Performances und Raum-Partituren ein neues Genre der transdisziplinären, räumlich-szenischen Musik und Kunst geschaffen und sorgte mit ihren Performances an speziellen Orten international für Furore. Sie spielte und sang in den steigenden Fluten im Atlantischen Ozean in Irland, im brasilianischen Dschungel Mata Atlântica oder über Jahre im Rhônegletscher und macht dessen Schönheit und Verschwinden sicht- und hörbar. Oft wählt sie kraftvolle Orte in der Natur, die auch fragil und bedroht sind.
Ihre Intermedia-Kompositionen und Raum-Partituren mit Son-Icons und der eigens entwickelten InterAction Notation IAN offerieren kompositorische Settings, die durch das sinnliche Magnet der Son-Icons strukturell geformt sind und gleichzeitig Spielräume eröffnen für präzise interdisziplinäre und interkulturelle Interaktionen in ständiger Entwicklung.
«Die Extremmusikerin weitet die Möglichkeiten ihres Instrumentes stets aus, entwickelte die Weichbogentechnik, mit der sie bis 8-stimmig auf dem Instrument spielen kann und erfindet die Viola neu. Als Vokalistin singt sie über vier Oktaven, von Untertönen bis zum höchstem Falsett. Mit vibrierenden Glottisschlägen, Mehrklängen und sprachnahen Artikulationen oszilliert Hug zwischen menschlicher Stimme und hybridem Sirenengesang. Ihre Spezialität sind auch Klangmischungen von Viola und Stimme. So entsteht ihre unverkennbar eigene Klangsprache.»
Barbara Eckle, Berliner Festspiele 2013
Nach Studienabschlüssen in Musik (Klassik), Pädagogik und Fine Arts, gewann sie diverse Auszeichnungen wie «Artist in Residence» in London, der Cité international des Arts Paris, in Berlin, Johannesburg und Shanghai, das internationale Fellowship der Civitella Ranieri Foundation etc. 2011 war sie «Artiste Étoile» am Lucerne Festival, wurde 2019 für den Classic:Next - Innovation Award nominiert und gewann 2025 den Schweizer Musikpreis.
Hugs Musik ist auf einer umfangreichen Diskographie von über dreissig CDs dokumentiert, u.a. Duos mit Elliott Sharp oder Lucas Niggli, Trios mit Maggie Nicols und Caroline Kraabel oder Lisa Ullén und Nina de Heney, mehrere CDS mit dem London Stellari String Quartet, "Son-Icon Music" mit eigenen Chor- und Orchesterkompositionen sowie vier Solo-Alben auf internationalen Labels.
Son-Icons (Visual-Music) sind der Kern von Hugs künstlerischem Schaffen. Ihre Werke und Raum-Partituren werden von internationalen Ensembles, Chören und Orchestern sowie interdisziplinären Ensembles gespielt (u.a. Moscow Contemporary Music Ensemble, Ensemble SuperMusique Montréal, Via-Nova Chor München, Lucerne Festival Academy, das Ensemble des Lucerne Festival Contemporary Orchestra oder die Johannesburger Dance-Company FATC. Son-Icons sind Hybride zwischen Musiknotation und Kunst und finden im Musik- wie im Kunstkontext internationale Beachtung. Hugs visuelle Kunst wird durch die Kuratorin und Galeristin Barbara Marbot der da Mihi Gallery vertreten.
Ein prägender Einfluss war die Londoner Improvisationsszene. Hug war langjähriges Mitglied und seither oft Gast des London Improvisers Orchestra. Sie entwickelt offene Konzepte für das LIO sowie für verschiedene Improvisers Orchestras, wie das KIO aus Krakau, das STIO aus Graz oder das SPIO aus São Paulo etc. Prägende interdisziplinäre Kollaborationen waren mit dem Theater- und Opernregisseur Jossi Wieler, dem Photographen und Filmemacher Alberto Venzago, dem Choreographen PG Sabbagha, dem Tänzer Fana Tshabalala, dem Kuratoren Peter Fischer, sowie Cross-Science Projekte mit dem Schlafforsche Dr. Prof. Peter Achermann, der Musikanthropologin Adel-Jing Wang, Glaziologen, Biologen, Quellmeister etc.
Sie gibt Masterclasses an diversen Kunsthochschulen (McGill University Montreal, CNMAT University of California Berkeley, New York University Berlin, The School of the Art Institute of Chicago, University of the Witwatersrand Johannesburg, China Academy of Art Hangzhou etc.)
Hug ist Professorin für zeitgenössische Improvisation sowie szenisch-musikalische Performance und Kreation in interdisziplinären Kontexten an der Hochschule Luzern/Musik und leitet den von ihr initiierten postgradualen Studiengang Creation & Scenario in Music an der Zürcher Hochschule der Künste.
Neben Ausstellungen in Galerien und Museen führt sie ihre rege Konzerttätigkeit als Improvisatorin, Solistin, Komponistin oder Dirigentin ihrer Werke an massgebliche Festivals in Europa, Nord- und Lateinamerika, Kanada, Südafrika, Russland und China.
«Charlotte Hug is perhaps the most innovative artist in Switzerland: viola player, voice artist, performer, composer, visual artist. »
Pirmin Bossart JazzNMore 2019